Das Bautagebuch - Monat 4 - erste Bahnhofspläne

Februar 2021 - erinnert sich jemand? Zu Beginn des Monats Schnee ohne Ende, und der blieb sogar bei uns in Dortmund Tage lang liegen! Tief Tristan hatte mich mit dem schweren und nassen Schnee doch in Angst und Schrecken versetzt. Die gute alte Winterpersenning auf dem Boot - würde sie die Last aushalten? Doch der Einsatz im Winterlager war schneller zu Ende als gedacht: der starke Wind hatte für ein völlig schneefreies Boot gesorgt! Erst der sanfte "leise rieselnde Schnee" der nächsten Tage überzuckerte auch die Tremonia. Aber dieser Schnee war dann pulverleicht und hat die Cabrio-Kappe nicht gefährdet. Alles gut gegangen. Gegen Ende des Monats dann frühlingshafte 20 Grad, überall wurde angegrillt und ich habe das erste Sonnenbad im Garten genossen. Schön! Im Haus wächst Timmerbruch: die Platten für den Bahnhof - inzwischen zweimal von beiden Seiten grundiert - sind erstmals auf ihren Lagern angekommen. Zunächst provisorisch, alles wird noch mehrfach demontiert werden, aber jetzt kann man schon mal Gleise und Weichen auflegen.

Gleisentwicklung der östlichen Bahnhofseinfahrt. Mal locker mit dem vorhandenen Material aufgelegt, statt realer Weichen oft nur deren Kopien. Lässt sich der angedachte Plan realisieren? Der Bahnhof wird sich "in die Kurve legen" müssen - anders ist das nicht möglich. Wenn ich´s richtig hinbekomme, sieht das wahrscheinlich am Ende sogar sehr elegant aus. Andererseits werde ich bei jedem Kupplungsvorgang fluchen, denn das klappt in Kurven ohne Nachhelfen nie wirklich gut. Aber es ist alternativlos. Immerhin habe ich so fast vier Meter Länge zur Verfügung, genug für einen Bahnhof wie Timmerbruch.

Nun werden die Ideen aus dem Kopf in die Realität transferiert. Flip-Chart-Blätter dienen der Fixierung dieser Ideen, die sich hier zu einem Gleisplan arrangieren, der so oder so ähnlich auch in der Wirklichkeit möglich gewesen sein könnte - mit den üblichen modellbahntypischen Abstrichen.

Hier der Blick aus der anderen Richtung, vom nordwestlichen Bahnhofskopf. Tagelang wird hin und hergeschoben. Es gibt viele kleine Bausteine, die seit Monaten beim Nachdenken Gestalt angenommen haben. Hier werden sie zu einem Gesamtentwurf kombiniert. Grundlegende Bedingung: es muss viel Rangierbetrieb möglich sein. Also wird es mehrere Gleise mit Rampen und anderen Be- und Entlademöglichkeiten geben. Da der Bahnhof im Grundzustand, ohne Erweiterungen, als Kopfbahnhof betrieben werden muss, sind natürlich auch die Möglichkeiten zum "Kopfmachen" wichtig. Der Platz für eine Drehscheibe zum Wenden von Schlepptenderloks ist leider nicht vorhanden, aber da hilft ein Blick in die Geschichtsbücher der Schüler*innen in meiner Modellbahnwelt: Timmerbruch war ursprünglich ein Durchgangsbahnhof, die von der zurückweichenden Wehrmacht für den Endsieg gesprengte große Brücke über das Urstromtal der Timmer wurde nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut, die weiterführende Strecke nach Jepperode stillgelegt. Fortan mussten die Eisenbahner in Timmerbruch mit dem Problem eines Kopfbahnhofes ohne Drehscheibe umgehen. Schlepptenderloks wurden daher früh durch Dieselloks ersetzt - aber da sind wir ja schon beim Betriebskonzept - und das "kriegen wir erst später".

Doch bleiben wir noch kurz bei der Historie des Ortes, deren Besonderheiten direkte Auswirkungen auf den Bahnbetrieb haben. Da dient uns die konservative Orts-Gazette, der Timmerbrucher Bote (wie immer: parteiübergreifend, unabhängig, unbestechlich seit 1883!) als Quelle: in Timmerbruch zweigt eine einspurige Strecke ab, die direkt in die berühmte Altstadt führt. Dort, im engen Nebental der Staude, ungefährdet von den gefürchteten Hochwasserlagen der Timmer, hat sich seit dem Mittelalter ein historischer Stadtkern entwickeln können, der auch die Bombennächte des 2. Weltkrieges unbeschadet überstanden hat. Die kampflose Übergabe der Stadt an die US-Armee im März 1945 sorgte für den finalen Schutz der Gebäudesubstanz. Ortskommandant Paul Rosen* widersetzte sich dem Nerobefehl und da die SS sich nach der Sprengung der großen Flussbrücke bereits abgesetzt hatte, konnte Timmerbruch schadlos kapitulieren. Die letzten Reste des Volkssturms konnten von der Sinnlosigkeit der Befehle überzeugt werden, bei einigen HJlern reichten ein paar saftige Ohrfeigen und so blieb dem Ort ein verlustreicher Häuserkampf erspart. Menschenleben wurden geretten und die Pracht der mittelalterlichen Gebäude blieb erhalten. Grund für den Tourismus in der Gegend und so manchen Kurswagen nach Timmerbruch! Rothenburg ob der Tauber ist nichts gegen Timmerbruch an der Timmer! Es treibt mir die Tränen in die Augen, aber leider war für dieses Kleinod mittelalterlicher Baukunst kein Platz mehr auf der Anlage - lediglich der Beginn der Verbindungsstrecke ist zu sehen - tut mir unendlich leid! Doch weiter: der Altstadtbahnhof muss durch das enge Tal mit zwei kurzen Gleisen auskommen - schon in der Frühzeit des schienengebundenen Verkehrsträgers ein wichtiger Grund für den Neubau des heutigen Bahnhofes Timmerbruch. Daher wird Timmerbruch-Stadt (fast) nur von Triebwagen angefahren, die natürlich auch schon mal einen Kurs- oder Sonderwagen mitnehmen können.
*Ihm zu Ehren trägt die Straße am Bahnhof heute seinen Namen - der Dank der Stadt geht quer durch alle Parteien. Die zwei Initiativen, den Namen des überzeugten Nazis aus dem Straßenbild zu tilgen, scheiterten jedes Mal an der einstimmigen Beschlusslage des Stadtrates.


Typischer Sonderwagen - Kegelclubs unterwegs nach Timmerbruch

Durch die regelmäßige Anbindung der Altstadt auf der Schiene will man der Autolawine begegnen, die sonst die Altstadt überfluten würde. Die kluge Ortspolitik hat schon früh mit restriktiven Maßnahmen gegen das Verkehrschaos gekämpft. Erfolgreich vor allem, weil auch die Bundesbahndirektion in Jontorf mitzieht. Die setzt nämlich hier eine bunte Mischung schon fast historischer Triebwagen ein. Sogar ein ETA 180 wurde in Timmerbruch stationiert, eigens eine kleine Ladestation errichtet. Heute gehört daher die Triebwagenfahrt durch den Timmer-Tunnel untrennbar zum Programm eines Altstadtbesuchs. Übrigens mit unerwarteten Konsequenzen, denn während sich das kulturbeflissene Bildungsbürgertum, vornehmlich aus der nahen Landeshauptstadt, nach historischer Stadtführung und Museumsbesuch trunken von den vielen Eindrücken im Wilden Mann oder dem Zweisterner Hirsch kulinarischen Genüssen hingibt, mischen nun zunehmend eher handfeste Eisenbahnfreunde den Betrieb auf - sie lassen die Kassen im Humpen und dem Timmer-Fischer klingeln, Restaurants, die mit rustikalen regionalen Gerichten punkten. Statt begleitender Weine ist es hier das frische Pils zum Essen, gebraut mit dem einzigartigen Quellwasser der Region. Nicht ohne Grund haben sich hier bis heute mehrere Betriebe gehalten, die in guter alter Handwerkstradition unvergleichliche Biere brauen. Jahrzehnte später wird man so etwa als "Craft Beer" feiern und den "neuen Trend" besingen, zahlreiche Bierwagen auf den Gleisen rund um Timmerbruch belegen, dass die Zukunft hier schon heute (Epoche III) Gegenwart ist!

Für durchschlagenden Erfolg bei beiden Gruppen aber haben die gepfefferten Nachwächterführungen gesorgt, die - natürlich - detailreich auf das deftige Nachtleben eingehen, für das Timmebruch seit dem Mittelalter berühmt-berüchtigt ist. Diese Führungen enden in der Regel in einer der zahlreichen Nachtclubs in den urigen Gewölbekellern des früheren Rotlichviertels und haben zur Folge, dass der Triebwagen-Shuttle bis in die späte Nacht weiterläuft, denn in der Altstadt gibt es kaum Hotels, dafür aber am Bahnhof Timmbruch, da kann man dann vom Zug direkt in die Falle stolpern. Sogar die Vereine mischen mit - da bieten die Naturfreunde vogelkundliche Führungen im namensgebenden Timmerbruch an, einem Naturschutzgebiet und Rastplatz für Zugvögel (Kraniche!), der örtliche Kanuclub hat mit seinen Rafting-Touren auf den Stromschnellen von Erle und Staude viel Erfolg, um nur einige zu nennen. Beide Timmer-Nebenflüsse waren übrigens namensgebend für die zwei erfolgreichsten Biere aus Timmerbruch: das Erlen-Bräu und - haha - das Stauder (die Essener mögen mir diese unverzeihliche Zwangs-Migration ihrer Traditionsbrauerei vergeben, aber dadurch kann ich die schönen Stauder-Bierwagen einsetzen). Noch Jahrzehnte später wird Timmerbruch als leuchtendes Beispiel bundesweit auf Projektionswände in Schulungsräumen gebeamt werden und die Blaupause für das sein, was als Stadtmarketing die Folgen von Interessenlosigkeit und egozentrischen Ich-Aktionen reparieren soll.

So, nun Zurück in die Zunkunft, raus aus der Epoche III in die Gegenwart des Jahres 2021. Das war mal kurz der Traum eines Kommunalpolitikers, wie es sein könnte wenn sich dann mal alle an einen Tisch setzen und eigene Interessen zurückstellen würden. Und wenn auch die Deutsche Bahn, früher Bundesbahn, endlich den platt gesessenen Arsch hochkriegen würde. Über diesen Staatsbetrieb könnte ich aus dem Nähkästchen der Kommunalpolitik plaudern - aber das gehört nicht hierher. Ansonsten habe ich beides zur Genüge erlebt: die Veranstaltungen, die unter der Überschrift liefen "Das haben wir doch schon immer so gemacht" genau so wie jene Treffen, die man unter der Losung "Das haben wir doch noch nie so gemacht" zusammen fassen könnte. Aber auch jene Sitzungen, in denen man mit Gleichgesinnten aus allen Lebensbereichen zusammen saß und offene Türen einrannte - alles das gehört zu meinen Erfahrungen aus 30 Jahren Kommunalpolitik. Zurück nach Timmerbruch: Modellbahntechnisch endet die Strecke in Richtung Altstadt einfach in zwei Stumpfgleisen, eines davon kommt am Ende im Fiddle-Yard wieder ans Tageslicht. Es ist ein Fiddle-Yard für Arme. Ich beneide immer die Kollegen mit ganz viel Platz, die praktisch einen offenen Schattenbahnhof bauen können, in dem sie bequem auch Züge umgruppieren und ganz neue Einheiten zusammen stellen können. Für solche Anlagen hat sich der Begriff Fiddle-Yard in die Fachsprache eingeschummelt. Hier also der meinige. Er besteht nur aus einem Gleis, allerdings einem besonderen, denn das letzte Stück kann ich per Schalter als Programmiergleis nutzen. Dabei werden die Schienen auf einen besonderen Ausgang der Digitalzentrale umgeschaltet und die Fahrzeuge können dann schnell und umkompliziert programmiert werden. Klappt prima! Und damit hier kein Zug abstürzt, wenn er sich unbeobachtet dem Gleisende nähert, muss vor Ort die grüne Taste gedrückt - und gehalten - werden, damit das letzte Stück mit Strom versorgt wird.

Fiddle-Yard - Programmiergleis in der Logistik-Zentrale der Anlage, dem Baubüro. In der unteren Etage lugt gerade noch eine Weiche hervor: hier kann eine angedachte temporäre Erweiterung angebunden werden - ein paar Fotos weiter werde ich erste Schritte dazu zeigen.

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